Menelaos hat geschrieben: ↑24 Jan 2022 21:32Die Empathie kommt ins Spiel, wenn ich die Emotionen des anderen unwillkürlich spiegele, mich also dieser destruktiven Sichtweise und ihren Konsequenzen ausgesetzt fühle [...]
"Ich bin so mitfühlend, dass ich Menschen meide, die zu oft nicht gut drauf sind."
So in etwa?
Wieso Strohmann?! Würden wir die Sprache präzise verwenden, gäbe es keine Missverständnisse mehr.
Weil Sprache sehr subjektiv ist und Worte Konzepte nur sehr unvollkommen einfassen, besonders, wenn es um abstrakte Dinge wie "Gerechtigkeit" oder "Liebe" geht.
Es ist unmöglich, eine präzise Sprache als die einzig richtige zu etablieren, und aus der Sichtweise ist "äußerste Präzision" unsinnig.
War offenbar ein Missverständnis und du hast da schlicht ein anderes Konzept davon, wie Sprache funktioniert, als ich.
Ja, aber ist es wirklich gerechtfertigt jemanden anzupflaumen [...]?
Ich habe niemanden "angepflaumt".
Ob Absicht oder nicht finde ich an dieser Stelle nicht relevant, mir geht es um die Auswirkung. Ich unterstelle sowieso generell meinem Gegenüber erst mal, dass er niemandem schaden will/wollte.
Der Ton macht die Musik, und in meinen Augen hast du auf eine kleine Ungenauigkeit allzu scharf reagiert [...]
...
Gut zu wissen, dass du es in Ordnung findest, wenn hier Leute unreflektiert über Depressionen und Depressive reden und dabei in Anwesenheit Getroffener Vorurteile breittreten, obwohl es mehr als genug Quellen allein im Internet gibt, mit denen man sich über das Thema informieren kann, aber es nicht in Ordnung ist, wenn ich das unsensibel finde und kritisiere, weil ich mein Anliegen nicht nachsichtig, verständnisvoll und nett formuliert habe.
Ich sage ja nicht, dass sowas nicht vorkommt. Aber in der Regel sind Hilfsangebote durchaus aufrichtig gemeint, und im Zweifelsfall halt nicht das Richtige für den Betroffenen.
In der Regel war die Hilfe, die mir angeboten wurde, nicht die, die ich wollte, und auch nicht hilfreich. In der Regel waren die Ratschläge, die mir ungefragt präsentiert wurden, oberflächlich, repetitiv und am Kern vorbei. In der Regel wurde ich nicht gehört.
Aber das ist wieder an meinem Punkt vorbei.
Wie gesagt, ich finde die Absicht wichtiger als das Ergebnis, daher finde ich das ein aufrichtiges aber unerwartet nutzloses Hilfsangebot ebenso viel Dankbarkeit verdient, wie eins das tatsächlich geholfen hat.
Mal angenommen, du hast gerade eine Nachricht bekommen, die dich sehr belastet, und dann kommt ein Freund, der dir erst mal einen Kaffee macht und sich damit zu dir setzt. Aber du trinkst keinen Kaffee. Wärst du dankbar?
Mal angenommen, du bräuchtest ein Fahrrad, könntest dir aber keins leistet, dann leiht dir jemand seins, was dir den Alltag sehr erleichtert, aber kurz darauf verlangt er es zurück, mit der Begründung, dass du ja jetzt gut klarkommst. Wärst du nicht enttäuscht?
Mal angenommen, du hast dir einen Pullover in deiner Lieblingsfarbe zum Geburtstag gewünscht und du bekommst ihn auch, aber in einer Farbe, die du nicht magst (weil der Schenkende sie schöner findet), du bedankst dich trotzdem, der Schenkende beschwert sich allerdings darüber, dass du dich nicht genug gefreut hast und ist später eingeschnappt, weil du den Pullover nicht anziehst. Wärst du dankbar?
Mal angenommen, du hast deine eigene Ordnung auf deinem Schreibtisch und kommst damit gut zurecht, nun gibt es aber jemanden, dem das zu unordentlich ist und der dir immer wieder anbietet, mal Ordnung zu schaffen, was du immer wieder ablehnst, bis er es ohne deine Erlaubnis macht und nun findest du nichts mehr wieder. Wärst du dankbar?
Mal angenommen, ein Knopf auf deiner Tastatur hakt, jemand will sie für dich reparieren, aber stattdessen fehlt nun der Knopf ganz. Wärst du dankbar?
In einem gewissen Rahmen bin ich natürlich gesetzlich, und auch moralisch verpflichtet zu helfen, aber darüber hinaus ist das allein meine Entscheidung, ob und wie viel Aufwand ich auf mich nehmen will um zu helfen.
Und ich persönlich helfe nicht, wenn ich nicht den Eindruck habe, dass meine Hilfe etwas bewirkt, allein schon weil es noch andere Menschen gibt die meine Hilfe gebrauchen, und auch etwas damit anfangen können.
Das Bild sollte illustrieren, wie es rüberkommt, wenn Menschen ihre Hilfe an Bedingungen knüpfen, darauf rumreiten, dass man die Hilfe auch annehmen können muss und dabei außer acht zu lassen scheinen, dass manche Hilfe einfach nicht die richtige ist und man auch ablehnen darf, ohne dass das bedeutet, dass man keine Hilfe will oder braucht oder sich selbst im Weg steht.
Was den Eindruck vermittelt, dass es ihnen mehr darum geht, als hilfsbereite Person angesehen zu werden, als tatsächlich zu helfen.
Trifft das auf dich zu?
Wenn nicht, verstehe ich nicht, wieso du so betonst, dass du persönlich nicht verpflichtet bist, zu helfen, obwohl es darum gar nicht geht.
Einsamkeit_is_doof hat geschrieben: ↑25 Jan 2022 15:58Aber Menschen, die von einer Depression betroffen sind, sollten sich halt auch mal in ihr Gegenüber hineinversetzen.
Klar, wenn ich am Ertrinken bin und meine Freunde sich entscheiden, dass ich ihnen zu viel bin, dann hab ich noch den Kopf frei dafür, Verständnis zu haben.
Ist ja nicht so, als wären Schuldgefühle und Minderwertigkeitsgefühle weitere Symptome bei Depression, die davon befeuert werden, wenn andere sich aufgrund der Depression von einem abwenden.
Es ist dir im Übrigen super gelungen, zu vermeiden, dich in Betroffene hineinzuversetzen.
Wenn man also in einer Konversation ständig Angst haben muss, dass sich das Gegenüber angegriffen fühlt [...] dann kann ich schon auch nachvollziehen, dass sich der ein oder andere zurückzieht.
[...]
Wenn man ständig Angst haben muss, dass man was falsches sagt und sich das Gegenüber angegriffen fühlt, dann kann eine Konversation ziemlich anstrengend werden...
Ziemlich einfache Lösung;
Im Hinterkopf behalten, wen man da vor sich hat, und entsprechend bei sensiblen Themen vorsichtig sein.
Wenn man dann doch mal was falsches sagt, sich die Mühe machen, zuzuhören, um zu verstehen, wo das Problem liegt, Einsicht zeigen und es in Zukunft besser machen.
Negative Gedanken/Grübeln oder wie man es auch nennen will, sind ein Symptom der Depression. Es greift zu kurz, sie als Risikofaktor zu bezeichnen.
Negative Gedanken bzw. Grübeln nun aber direkt als Depression zu bezeichnen greift für mich zu kurz!
Siehe Hervorhebung.
So wie jeder mal nach Worten sucht und Wortfindungsstörungen ein Symptom bei Aphasie sind.
Den Kontakt aufrecht zu erhalten kann allerdings recht mühsam werden, wenn die betroffene Person sich selber immer mehr zurückzieht und Einladungen zurückweist oder auf Anrufe oder an der Tür klingeln nicht mehr reagiert.
Da zeigt sich dann, wieviel dir die Freundschaft wert ist und ob du es wirklich ernst damit meinst, dass man Freunde, denen es schlecht geht, nicht im Stich lässt, oder ob das nur ein schöner Satz ist, den du dir auf die Fahne schreibst, solange du nicht mit tatsächlichen Symptomen konfrontiert bist.
Dass glückliche Menschen verachtet werden, weil sie das Unglück anderer ausblenden bzw. ignorieren.
Die (verzerrt wiedergegebene) Meinung einer Person. Nicht meine.
Dass man als nichtdepressiver Mensch quasi einen an der Waffel hat, weil man die Welt ja "positiv verzerrt sieht" und der Depressive die Welt so sieht, wie sie wirklich ist (wobei ich diese These für ziemlich gewagt halte).
Sein eigenes Los zu idealisieren, um besser damit klarzukommen, ist sehr menschlich. Das tun auch Depressive.
Das war aber wiederum nicht ich, die das gesagt hat.
Ich glaube, das war auch eher ungenau und bezog sich auf eine Studie, die das Ergebnis hatte, dass Depressive ihre eigenen Fähigkeiten realistischer einschätzten als nicht-Depressive. Woraus man die These ableiten kann, dass ein gewisses Maß an Selbstüberschätzung gesund ist.
Dass man gegen "leidende Personen giftet".
Wiederum verzerrt wiedergegeben, aber wenn Vorurteile gegen Depressive gefällt werden, ist das für Betroffene belastend.
Wenn ich abnehmen will, ich ständig rum jammere, dass das nicht klappt und mir dann jemand den Rat gibt: "Hör auf soviel zu essen und beweg dich mehr!", dann kann ich natürlich gereizt reagieren und die Person beschimpfen. Ähnlich wie es hier geschehen ist. Oder ich kann mich fragen, ob die Person nicht evtl. doch ein bisschen recht hat. Auf jeden Fall würde ich diesen ratschlag nicht als Angriff bzw. als Tritt auf den Fuß empfinden!
Der Vergleich hinkt.
Die Art und Weise, wie in den letzten paar Seiten über Depression und Depressive geredet wurde, hat bei mir Rückzugstendenzen und Hoffnungslosigkeit ausgelöst. Beides Dinge, mit denen ich schon oft sehr zu kämpfen hatte.
Aber es wurde ja schon deutlich gemacht, dass das nicht das ist, was zählt, sondern mein Tonfall.
Mir ist bewusst, dass Depressionen eine Krankheit sind. Sie sind allerdings keine Entschuldigung dafür, andere Menschen, die nicht von Depressionen betroffen sind, als gefühlskalt und unmenschlich hinzustellen oder ihn zu unterstellen, dass man auf am Boden liegende Menschen eintritt!
Auch mit Depression ist man für sein eigenes Verhalten verantwortlich, da sind wir uns einig.
Ich habe weder Nichtbetroffene als kalt oder unmenschlich bezeichnet noch behauptet, dass eine Depression eine Entschuldigung dafür wäre, das zu tun. Also was soll diese Aussage, außer von meinem Anliegen abzulenken?